ehemalige Spitzenfabrik Birkigt & Co. GmbH, heute Dorf der Jugend Grimma

place
Dornaer Weg 2, 04668 Grimma

Ursprung

Entstehungszeit: Industrie

Ursprüngliche Nutzung

Industrie & Gewerbe - Fabrik

Industrie & Gewerbe - Verwaltung

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Der Träger des Projekts „Dorf der Jugend“ sowie des ganzen Geländes der Alten Spitzenfabrik ist der Förderverein für Jugendkultur und Zwischenmenschlichkeit (FJZ). Der Verein finanziert auch die Stelle von Tobias Burdukat, dem Initiator des Projektes, der sich um das Alltagsgeschäft und die Koordination kümmert. Ziel des Vereins ist eine Förderung der offenen Jugendarbeit im ländlichen Raum. Das Besondere an dem Projekt ist die offene Gestaltung, die maximale Flexibilität und Kreativität ermöglichen soll. Es geht nicht darum, fertige Strukturen vorzugeben. Vielmehr soll ein Freiraum geschaffen werden, in dem sich die Jugendlichen ausprobieren und ausleben können. Die bewusst angestrebte Flexibilität stellt jedoch auch eine der Herausforderungen der Projektarbeit dar, da es nicht immer einfach ist, Offenheit und Flexibilität innerhalb der vorhandenen bürokratischen Strukturen zu etablieren. Das „Dorf der Jugend“ ist als autarkes Projekt angedacht, das sich selbst tragen soll. So soll eine Struktur geschaffen werden, die nachhaltig und unabhängig von der Förderung der öffentlichen Hand ist und in die immer neue Generationen von Jugendlichen problemlos hineinwachsen können. Die Projektarbeit ist dabei einem beständigen Wandel unterworfen. Eine Konstante ist aber das 14-tägig stattfindende Dorfplenum, bei dem alle das Projekt betreffende Entscheidungen gemeinsam und konsensbasiert getroffen werden. Mit dieser Form der Selbstverwaltung werden die Jugendlichen zu Eigeninitiative und Selbstständigkeit ermuntert und befähigt. Ein Beispiel für die selbstständige Jugendarbeit ist die Aufarbeitung der Fabrikhistorie durch eine Gruppe von Grimmaer SchülerInnen. Die recherchierten Ergebnisse präsentierten die SchülerInnen auf Ausstellungstafeln, die vor der Spitzenfabrik aufgestellt wurden und die nun auch interessierten Besuchern zur Verfügung stehen. Außerdem passieren die meisten Arbeiten auf dem Fabrikgelände in Eigenleistung der Jugendlichen. Sie werden dabei angeleitet und unterstützt, beispielsweise in Form von Workshops, in denen erfahrene Handwerker ihr Wissen an die Jugendlichen weitergeben. Auch in Angelegenheiten des Bau-, Planungs- und Denkmalrechts wurden die Jugendlichen im Rahmen eines Workshops mit dem Bauamt des Landkreises eingeführt.

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Die Projektfinanzierung ist eine stete Herausforderung für den Verein. Der Großteil der Sanierungsarbeiten erfolgt daher in Eigenleistung und ist vom ehrenamtlichen Engagement aller Beteiligten abhängig. Das Projekt wurde aufgrund seines innovativen Ansatzes schon mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, deren Preisgelder ebenfalls für die Finanzierung verwendet wurden. So wurde das „Dorf der Jugend“ in das Förderprogramm „Neulandgewinner – Zukunft erfinden vor Ort“ der Robert Bosch Stiftung aufgenommen. Mit 50.000 Euro fördert die Robert Bosch Stiftung für zwei Jahre die Jugendarbeit des Vereins. Außerdem gewann das „Dorf der Jugend“ in der Kategorie Charity den Medienpreis Goldene Henne, der mit 25.000 dotiert ist. Auch den mit 5.000 Euro Preisgeld verbundenen taz Panter Preis konnte das Projekt bereits entgegen nehmen. Die Innenausstattung des Container-Cafés dagegen wurde durch eine Crowdfunding-Aktion erfolgreich finanziert, bei der innerhalb von 50 Tagen 7.000 Euro zusammen kamen.

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Gebäudezustand

Kategorie

Sanierungskonzept

Objekt-Nr.

373

Ort

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Beschreibung

Die 1907 erbaute Textilfabrikanlage besteht aus einem Produktionsgebäude mit angebauter Werkhalle, einem Kesselhaus, den Resten des Schornsteins sowie einem Pförtner- und Kontorhaus. Ferner gibt es auf dem Gelände noch eine Hochwassermarke von 1954. Die dreigeschossigen Bauten sind zeittypisch mit gelben Klinkern verkleidet und verweisen in ihrer nüchternen Formensprache auf die architektonische Moderne. Die Fabrik diente bis 1990 zur Herstellung von gewebten und gewirkten Spitzenstoffen. Um die Produktionsmaterialien und die Erzeugnisse leicht transportieren zu können, wurde die Fabrik an der Bahnlinie Grimma – Wurzen errichtet. Sie liegt außerhalb der Stadt am rechtsseitigen Muldeufer. Das unter Denkmalschutz stehende Bauensemble befindet sich aktuell in einem schlechten Erhaltungszustand. Im Rahmen des „Dorf der Jugend“-Projekts soll jedoch eine schrittweise Sanierung und Umnutzung des Gebäudes stattfinden. Bei der Fabrikanlage handelt es sich um ein wichtiges Zeugnis der Industrieansiedlung in Grimma, das technikhistorisch und ortsgeschichtlich von großer Bedeutung ist.

Baujahr

1907

Nutzung

Derzeitige Nutzung

Das Gelände der ehemaligen Spitzenfabrik wird von dem Förderverein für Jugendkultur und Zwischenmenschlichkeit e.V. im Rahmen der Projektumsetzung „Dorf der Jugend“ Grimma bespielt. Das Konzept sieht eine offene selbstständige Jugendarbeit vor, bei der die Jugendlichen die Gebäude schrittweise und ihren Bedürfnissen entsprechend sanieren und umnutzen. Auf lange Sicht soll das Fabrikareal sich zu einem selbst tragenden Zentrum mit Werkstätten, Ausstellungs-, Seminar- und Proberäumen, Sportangeboten, Hostel und vielem anderen mehr entwickeln. Auf dem Außengelände der Fabrik, neben dem Mulderadweg, betreiben die ehrenamtlich Engagierten und Jugendlichen bereits ein Café, das in einem ehemaligen Schiffscontainer eingerichtet ist. Auf dem Fabrikgelände finden zudem zahlreiche Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen oder Sportevents statt.

Ursprüngliche Nutzung

1906 wurde auf dem Gelände am Muldeufer mit dem Bau der Fabrik begonnen. 1907 konnte sie als „Spitzenfabrik Birkigt & Co.“ eröffnet werden. Die Fabrik produzierte mit damals hochmodernen Maschinen aus England die für die Region typische Plauener Spitze. Die Maschinen wurden mit einer Dampfmaschine angetrieben. In der ersten Etage des Fabrikgebäudes war die Weberei untergebracht, während sich in der Zweiten die Näherei befand. Zur Fabrik gehörten weiterhin eine Werkstatt, die Raschelei sowie die Abteilungen Qualitätskontrolle, Zuschnitt und Verarbeitung der Stoffe (Konfektion). Während der Kriegsjahre 1944 bis 1945 wurde das Erdgeschoss der Fabrik für die Rüstungsproduktion der Leipziger HASAG genutzt. Ab 1945 wurde der Betrieb als Teilbetrieb der Mechanischen Weberei Dresden als „Valenciennes AG“ weitergeführt. Von 1956 bis zum Ende der DDR gehörte die Spitzenfabrik in Grimma zum „VEB Plauener Spitze“. Dieser Großbetrieb setzte sich aus Werken in Leipzig, Dresden, Auerbach, Plauen und Grimma zusammen. 1970 erfolgte eine Umstellung der Produktion von Web- auf Wirktechnik. Bis 1991 wurde die Textilproduktion im Werk fortgesetzt, ab 1989 als Filiale der „Leipziger Gardinen- und Spitzen GmbH“. Nach der Schließung der Textilfabrik 1991 wurde das Gebäude nur noch als Lager von einem Zeltverleih genutzt und verfiel schließlich zusehends. Die beiden Hochwasser 2002 und 2013 beförderten den Verfall des Fabrikareals. 2014 startete das Projekt „Dorf der Jugend“ damit, das Fabrikgebäude wieder mit Leben zu erfüllen. Das Projekt strebt eine sich selbst tragende und selbstständig von und mit Jugendlichen gestaltete Jugendarbeit an. Im Zentrum stehen dabei die Gebäude der Alten Spitzenfabrik, die von den Jugendlichen in Eigenleistung etappenweise saniert und umgenutzt werden sollen. Auf dem Fabrikgelände sollen im Laufe der Zeit verschiedene Einrichtungen entstehen. Unter anderem ein großer Veranstaltungsraum, verschiedene Sportmöglichkeiten, Werkstätten, Probe- und Ausstellungsräume und vieles mehr. Aktuell wird an einem Bauantrag für den Ausbau des Veranstaltungsraums gearbeitet. Der Veranstaltungsraum soll dann im Erdgeschoss des Produktionsgebäudes eingerichtet werden. Anschließend wird ein Bauantrag für das Gesamtgelände folgen. Bereits realisierte Teilprojekte sind das 2016 eröffnete Container-Café am Mulderadweg, in dem sich Spaziergänger und Radfahrer mit Snacks und Getränken stärken können. Auf dem Fabrikgelände wurde außerdem ein Garten angelegt. Dort wird von den Jugendlichen Obst- und Gemüse angebaut, es gibt legale Graffitiflächen, einen Bolzplatz, die Möglichkeit zum Entspannen und Zelten sowie einen Grillplatz und eine Gartenbar. Des Weiteren befindet sich auf dem Gelände eine Fahrradwerkstatt, die auf dem Prinzip der Selbsthilfe basiert.

Sonstiges

Für die Stadt Grimma bietet das Projekt „Dorf der Jugend“ einen kulturellen und touristischen Mehrwert, da sich die von den Jugendlichen initiierten Angebote an alle BürgerInnen und BesucherInnen der Stadt richten und von diesen in Anspruch genommen werden können. Im Rahmen des Projekts wird das denkmalgeschützte Ensemble der „Alten Spitzenfabrik“ neu belebt und schrittweise saniert. Zudem wirkt das Projekt, das eine große Anziehungskraft auf Jugendliche aus der ganzen Region ausstrahlt, sich positiv auf die Jugendarbeit in der ländlichen Region aus.

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